Diskussion über Sarkozy
Die Referenten blieben skeptisch. Wird mit der Wahl von Nicolas Sarkozy zum französischen Präsidenten und der voraussichtlich breiten Mehrheit der Konservativen im Parlament tatsächlich der angekündigte Wandel in Frankreich stattfinden? Wird sich Sarkozy als der unnachgiebige Reformer erweisen, der er im Wahlkampf vorgab zu sein? Gerald Braunberger und Andreas Ross, Redakteure dieser Zeitung, erörterten am Donnerstagabend die Auswirkungen der französischen Präsidentschaftswahlen – und äußerten Zweifel daran, dass sich in Frankreich tatsächlich etwas ändern werde, insbesondere in wirtschaftlicher Hinsicht.
Frankreich kranke an seiner aufgeblähten innerstaatlichen Organisation und seinem erdrückenden Zentralismus, sagte Braunberger auf der Veranstaltung der Deutsch-Französischen Gesellschaft in Frankfurt, die im Redaktionsgebäude der F.A.Z. stattfand. Die Verwaltung könnte sehr viel effizienter arbeiten, ebenso die Unternehmen, doch dazu fehle es an wirklicher Reformbereitschaft. Ob Sarkozy sich tatsächlich als treibender Reformer erweise, bleibe abzuwarten, sagte Braunberger. Er sei allerdings immerhin der Einzige, der die nötige Energie und Willenskraft für einen liberalen Wirtschaftskurs mitbringe, dem – anders als in Deutschland – auch jeglicher Rückhalt in den Medien fehle.
Bei Sarkozy sei in vieler Hinsicht noch völlig unklar, wie seine Position sei, ergänzte Ross. Ob außen- oder europapolitisch – Sarkozy habe sich noch alle Möglichkeiten offengelassen. Von einigen Ausnahmen abgesehen, scheine sich die ganze Welt auf ihn zu freuen, sagte Ross, aber: Bisher kenne man nur den Innenminister Sarkozy, nicht den Präsidenten.
Bilaterale Unsicherheiten seien jedoch auf Dauer nicht zu erwarten, prognostizierte Braunberger. Bisher habe noch jeder neugewählte französische Präsident geglaubt, er habe in dieser Position eine ungeheure Macht. Doch sobald sie im Elysee-Palast säßen, werde ihnen ihr doch eher beschränkter Handlungsspielraum schnell bewusst. Und auch in wirtschaftlicher Hinsicht werde Sarkozy sich den äußeren Zwängen beugen müssen: Sofern er die nötigen Reformen nicht selber in Angriff nehme, werde er sich in einer unangenehmen Rolle wiederfinden: der des von äußeren Umständen Getriebenen.