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Frankfurter Rundschau 2021: Im Dienste der Völkerverständigung

Frankfurter Rundschau2021

Im Dienste der Völkerverständigung

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          © peter-juelich.com
page2image52773280 von Steven Micksch
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Christophe Braouet, der Präsident der Deutsch-Französischen Gesellschaft, wirbt in Frankfurt nicht nur am Deutsch-Französischen Tag für ein besseres Miteinander der Menschen beider Länder.

Christophe Braouet sieht sich selbst als deutsch-französisches Produkt. Geboren in Deutschland, lebte er viele Jahre in Frankreich, bis er vor gut 25 Jahren wieder nach Deutschland kam. Der 63- Jährige kennt die Eigenheiten beider Länder, was ihm vermutlich hilft bei seinem Engagement als Präsident der Deutsch-Französischen Gesellschaft (DFG) in Frankfurt.

„Frankfurt ist kein Abstieg zu Paris“, sagt Braouet. Die Mainmetropole biete viele Vorteile in der Lebensqualität, in kürzester Zeit sei man entweder im Schnee oder in den Weinbergen. Auch kulturell biete die Stadt viel. Manchmal sei Frankfurt aber zu zurückhaltend und schüchtern. Zeige seine Vorteile nicht gut genug nach außen. Auch er selbst habe deshalb anfangs Zeit gebraucht, um sich mit der Stadt zu identifizieren.

Braouet wird 1957 in Aachen geboren. Seine Mutter ist Deutsche, sein Vater Franzose. Als er zehn Jahre alt ist, zieht die Familie nach Schweden. Als er 16 ist, geht es nach Frankreich. Dort studiert er später und sammelt erste Berufserfahrung im Bankenwesen. 1994 beginnt er eine Beschäftigung bei der Landesbank Hessen-Thüringen. 1997 wechselt er in die Zentrale nach Frankfurt. Mittlerweile ist Braouet im Vorruhestand. Er ist verheiratet, hat drei Kinder und lebt im Taunus.

Mit besonderem Augenmerk schaut der Präsident der DFG Frankfurt auf den 22. Januar. An diesem Tag vor 58 Jahren wurde von Bundeskanzler Konrad Adenauer und vom französischen Staatspräsidenten Charles de Gaulle im Pariser Élysée-Palast der Élysée-Vertrag unterzeichnet – der deutsch-französische Freundschaftsvertrag. An diesem besonderen Tag verleiht die DFG seit nunmehr elf Jahren ihren Schüler:innenpreis. „Er soll Schüler und Lehrer motivieren, Französisch zu lernen und zu lehren“, sagt der 63-Jährige.

Besonders freut sich Christophe Braouet, dass die Stadt Frankfurt seit jeher den Kaisersaal für die Verleihung zur Verfügung stellt. Dadurch erst werde der Preis wirklich prestigeträchtig. Im Kaisersaal präsentieren die Finalist:innen kurz ihre zuvor eingereichten französischen Texte mit Bezug zum deutsch-französischen Raum oder der französischen Gesellschaft und Kultur.

Üblicherweise geschieht dies vor mindestens 200 Gästen im Saal. In diesem Jahr wird der Raum aber fast leer sein: Dafür wird die Veranstaltung erstmalig, mit der Unterstützung des Deutsch- Französischen Bürgerfonds und der Landwirtschaftlichen Rentenbank, per Livestream im Internet übertragen. Die Arbeiten der Grund- beziehungsweise Leistungskursschüler:innen soll das aber nicht schmälern, auch in diesem Jahr bekommen die beiden Sieger:innen je 600 Euro, die Zweitplatzierten 400. Auch die zugehörigen Schulen aus dem Rhein-Main-Gebiet bekommen 300 beziehungsweise 200 Euro.

Die Arbeit der DFG definiert sich aber nicht nur dadurch. Jedes Jahr bietet der 600 Mitglieder große Verein 20 Veranstaltungen an. Meist sind dies Vorträge und filmische Angebote. „In den Vorträgen soll versucht werden, Frankreich besser zu erklären“, sagt der Präsident. Die Schwerpunkte liegen dabei auf Politik, Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft. Die Menschen sollen den Partner verstehen, wissen warum er so tickt. Die Vorträge werden abwechselnd in Französisch oder Deutsch angeboten. „Sie richten sich an alle, die an Frankreich Interesse haben.“

Bedingt durch die Pandemie werden die Vorträge zurzeit nur online gezeigt. „Die gesellschaftliche Komponente ist durch Corona abhandengekommen“, sagt Braouet. Häufig lädt die DFG im Anschluss an die Vorträge zu einem Austausch bei einem Glas Wein ein. Das liegt nun auf Eis. „Ich habe unseren Mitgliedern aber versprochen, die Rückkehr zur Normalität dann zu feiern“, erzählt er.

Das Ziel ihrer Existenz mag sich für die DFG Frankfurt seit ihrer Gründung verändert haben, aber obsolet ist der Verein deswegen nicht geworden. Das frühere Anliegen „Nie wieder Krieg“ zwischen den beiden Ländern erscheint heute ferner denn je.

Nichtsdestotrotz gebe es immer noch Gründe, sich weiter zu engagieren. „Deutschland und Frankreich sind die zwei wichtigsten Länder in der EU. Wenn nichts von ihnen kommt, passiert meist nichts“, sagt der 63-Jährige. Beide Länder müssten gemeinsam handeln, um wirklich Großes zu bewegen.

Doch die Freundschaft der Nachbarn ist keine Selbstverständlichkeit. Gerade erst in der Corona-Krise wurden die Grenzen von Deutschland aus dichtgemacht. Pendler:innen aus Frankreich seien misstrauisch beäugt und fast schon diskriminiert worden. „Das war enttäuschend. Wir haben noch verdammt viel zu tun, sonst wäre so etwas nicht passiert.“

Hoffnung gibt Braouet der 18. Mai des vergangenen Jahres. Da machten beide Länder gemeinsam den Vorschlag, einen milliardenschweren Wiederaufbaufonds einzurichten. „Das war eine gemeinsame, eine europäische Antwort auf die Krise.“

Braouet sieht dies als einen großen Schritt in der Beziehung beider Länder an. Die vorherigen zehn Jahre habe eher Stillstand geherrscht. Unter François Hollande vonseiten Frankreichs aus, unter Emmanuel Macron hätten die Deutschen verpasst, seine

Europa-Initiativen zu ergreifen. „In der Krise findet man aber wieder zueinander“, ist sich Braouet sicher. Er sieht dies auch als einen Erfolg des Élysée-Vertrags an, der regelmäßige Tre!en aller Minister:innen vorgibt.

Ein solcher Erfolg ist auch das Deutsch-Französische Jugendwerk, dessen Gründung im Vertrag festgeschrieben wurde. „Seitdem haben acht Millionen Jugendliche an einem Austausch teilgenommen. Diese Erfahrung prägt einen ein Leben lang.“ Oft schrieben die Schülerinnen und Schüler, die sich am DFG-Preis beteiligen, von ihren Erlebnissen während des Austausches. Dieser Sockel von daraus entstandenen Freundschaften habe in schwierigen Zeiten geholfen, als sich politisch zwischen den Ländern nichts bewegte.

Für Braouet ist klar, dass jedes einzelne der europäischen Länder für sich allein zu klein ist, um im Wettbewerb mit den USA und China bestehen zu können. Es müssten gemeinsame europäische Lösungen und Ansätze her – eine enorme Herausforderung. Doch eine sehr gute Freundschaft zwischen Deutschland und Frankreich sei zwingend, um Europa zu stärken.