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Commentaires April 2020

2. April 2020: Außerordentliche Zeiten erfordern außergewöhnliche Maßnahmen: Ich biete Ihnen diese (monatlichen) Kurznachrichten an, um die Einen zu informieren und für die Anderen den französischen Nachrichtenstand zusammenzufassen. Kritik begrüße ich ausdrücklich und freue mich über jegliche Reaktion in diesen Zeiten der unumgänglichen Kontaktein- schränkungen, in welchen wir eine neue, immobile Art der Kommunikation erfinden müssen.
Corona: Die Kontaktbeschränkungen in Frankreich gleichen denen, die in Deutschland herrschen, nur sind sie noch strenger (Verbot sich mehr als einen Kilometer von zu Hause zu entfernen, und nur in akuten Bedarfsfällen). Derzeit wird diskutiert, ob das Abitur – wie nach Mai 68 – ohne Prüfungen verliehen werden soll.

  Frankreich Deutschland USA Italien Spanien
Erster Fall 24.1. 27.1 23.1. 31.1 1.2.
Anzahl der Fälle 59.529 84.794 245.573 115.242 112.065
Todesfälle 5.387 1.107 2.118 13.915 10.348
Geheilte Personen 12.548page1image37337728 22.440 9.228page1image37336960 page1image37333312 18.278 26.743page1image37333696 page1image64514224
Quelle: Johns Hopkins Corona Resource Center (Daten vom 3. April 2020 8h30)

Die Kurve (5 Tage gleitend) steigt weiterhin, sowohl in Frankreich als auch in Deutsch- land (wie in den USA, UK & Spanien), nimmt aber in Italien und Benelux wieder ab.
Polemik über die mögliche Nutzung des HydroxyChloroquine: Professor Raoult (Leiter des Instituts Hospitalo-Universitaire Méditerranée Infection in Marseille) nutzt bereits das Malaria-Medikament, dessen Wirkung gegen Corona wissenschaftlich derzeit noch auf EU- Ebene (Projekt Discovery) und durch die Weltgesundheitsorganisation WHO geprüft wird. Kommunalwahlen: nach dem schon kontrovers diskutierten ersten Wahlgang am 15. März wurde der zweite Wahlgang vertagt (vorgesehen war der 22. März), bis dato ohne neuenTermin. Die vorherigen Kommunalwahlen (2014) liefen noch nach dem traditionellen Rechts/Links-Muster: Die linken Parteien (33,5%) verloren Stimmen zu Gunsten der traditionellen konservativen Parteien (44,1%) sowie des rechtsradikalen Front National (6,8%), der 11 Bürgermeisterämter gewann. Die Grünen blieben marginal (0,5%).

Der erste Wahlgang 2020 wurde von folgenden Merkmalen geprägt:

Paris: die amtierende Oberbürgermeisterin Anne Hidalgo erzielt das beste Ergebnis (29,3%) vor Rachida Dati (LR 22,7%), Agnès Buszyn (LREM 17,3%), David Bélliard (Les Verts 10,8 %), Cédric Villiani (LREM 7,8 %). Nota bene: Rassemblement National 1,5%!Marseille: Michèle Rubirola Blanc (Union de la Gauche : 23,4%) liegt leicht vor Martine Vassal (LR 22,3%) Stéphane Ravier (RN : 19,5%), Bruno Gilles (Divers droite 10,7%), Sébastien Barles (Les Verts 8,9%) und Yvon Berlan (LREM : 7,9%).Lyon: Grégory Doucet (Les Verts) liegt mit 28,5% vor Etienne Blanc (LR 17%), Yann Cucherat (Centre 15%), Georges Képénikian (Centre 12%), Nathalie Perrin Gilbert (Divers gauche 10,2%) und Sandrine Runel (Union de la Gauche 7%). Nota bene: RN erhält nur 5,5%.Marine Le Pen (Rassemblement National) und Jean-Luc Mélenchon (France Insoumise) haben schnell ihre Kritik an der Regierung wieder aufgenommen.

Wirtschaft/Finanzen: Unser letzter Vortragender Hervé Le Bras sprach am 6. März über « Sich unwohl fühlen in Frankreich dem es gut geht ». Die Zahlen belegen, dass die Franzosen – nach Umver- teilung – über das mitunter höchste Nettoeinkommen verfügen und die höchste (gesunde) Lebenserwartung genießen, sie aber immer wieder protestieren, wie zuletzt an der Bewegung der Gelben Westen zu sehen war. Als wesentliche Gründe können das ineffiziente Schulsystem (siehe die Jugendarbeitslosigkeit von 23,5%) und das Misstrauen gegenüber den Politikern genannt werden (siehe die Präsentation auf unserer Homepage « www.dfg- frankfurt.de »).

Die Corona–Krise trifft Frankreich am Wendepunkt: die Arbeitslosigkeit ist auf 7,9% gefallen, der niedrigste Stand seit 11 Jahren, dank der Gründung von mehr als 800.000 Unternehmen (+36%) und 16% mehr Lehrstellen (in Gänze noch 45% weniger Stellen als in Deutschland).
Ebenso wie Deutschland hat auch Frankreich eine sehr bedeutende finanzielle Unterstützung der Wirtschaft beschlossen:

Soforthilfen i.H.v. 45 Mrd. (Kurzarbeit, Steuerstundungen, Solidaritätsfonds für die kleinen und mittelständischen Unternehmen…); in Deutschland sind es 156 Mrd. € Staatsgarantien für die Banken i.H.v. 300 Mrd. € (600 Mrd. € in Deutschland, mit einer Risikobeteiligung der Banken i.H.v. 10%).

Diese Maßnahmen könnten eine erneute Diskussion über den Euro und die Verschuldung einzelner EU-Staaten auslösen: Italien 130% des BIP, Frankreich 100%, Deutschland aber nur 60%… Um eine Zinssteigerung zu vermeiden, hat die Europäische Zentralbank schnell reagiert und am 18. März angekündigt, weitere 750 Mrd. € Staatstitel anzukaufen, dabei die Obergrenze von 33% für einen einzelnen EU-Staat aufzuheben und griechische Staatstitel wieder zuzulassen. Auch die Mindestanforderungen an das Eigenkapital der Banken wurden temporär um 150 Mrd. € gelockert, die Dividendenzahlung für 2020 ausgesetzt. Derzeit wird die Emission von Corona-Bonds diskutiert. Europa löst sich auf, jedes Land hat eigene nicht abgestimmte Maßnahmen ergriffen. Es ist höchste Zeit, wieder den Weg europäischer Solidarität einzuschlagen, um weitere Wahlerfolge der Populisten zu unterbinden und um unsere Exportmärkte und den Euro als Verteidigungsinstrument unserer sozialen Marktwirtschaft zu sichern. Darüber wollten wir am 20. April mit Jean-Dominique Giuliani, dem Präsidenten der Robert-Schuman-Stiftung anlässlich des 70. Jubiläums der Schuman-Erklärung vom 9. Mai 1950 diskutieren: Dies holen wir Corona-bedingt im September nach!
Ihr Christophe Braouet