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Zur 80-Jahr-Feier der Deutsch-Französischen Gesellschaft Frankfurt (DFG) mit Blick auf Europa

Die drei Geburten der Deutsch-Französischen Gesellschaft Frankfurt und deren ständige Erneuerung

Die Deutsch-Französische Gesellschaft – zunächst als „Ortsgruppe“ der Berliner Deutsch-Französischen Gesellschaft Berlin ins Vereinsregister eingetragen – feiert in diesem Jahr ihren 80. Geburtstag. Die Deutsch-Französische Gesellschaft hat ihren Sitz in Königstein, ihre Mitglieder kommen aus Frankfurt und dem Rhein/Main-Gebiet. Ihr Anliegen ist es, die Beziehungen zwischen den beiden unterschiedlichen Ländern dies- und jenseits des Rheins besser zu verstehen und sie in einem europäischen Kontext zu verbessern. Dafür steht ihr dynamischer, bestens informierter und vorwärts denkender deutsch-französischer Präsident Christophe Braouet…

Von Petra Kammann

DFG-Präsident Christophe Braouet in seinem Büro in der Helaba, Fotos: Petra Kammann

„Ich bin 1997 nach Frankfurt gezogen. Den Bezug zu Frankreich, wo ich studiert und 20 Jahre gelebt habe, wollte ich jedoch nicht aufgeben. Als deutsch-französischer Doppelstaatler ist mir die Verständigung zwischen beiden Ländern und somit den Menschen besonders wichtig”, sagt der Präsident der Deutsch-Französischen Ggesellschaft (DFG), einer Art „Kontaktbörse“ der Französichsprechenden und Frankreichfreunde aus Frankfurt und Umgebung. Das breit aufgestellte Programm trägt deutlich die Handschrift des ausgebildeten Politikwissenschaftlers und Juristen Braouet, der vielfältige Interessen in sich vereint und seinen Beruf immer in einer Bank ausgeübt hat. Heute arbeitet er als Bankdirektor im 49. Stock der Helaba und ist für das institutionelle Geschäft zuständig.

Das französische Generalkonsulat hisst am 22. Januar beide Fahnen

Eigentlich beginnt alljährlich das neue Jahr für die Deutsch-Französische Gesellschaft symbolträchtig, nämlich am 22. Januar im Kaisersaal des Frankfurter Römers, gewissermaßen als Reminiszenz an den 1963 besiegelten Élysée-Vertrag zwischen Konrad Adenauer und Charles de Gaulle, der Gründungsakt für die andauernde deutsch-französische Freundschaft war. Dort wird dann der Schülerpreis für Französisch Lernende verliehen. Wer einmal an der Verleihungsfeier teilgenommen hat, weiß, mit welcher Intensität diese Idee in den heutigen Schülerseelen und -köpfen fortlebt.

Die französische Generalkonsulin Pascale Trimbach begrüßt den Gouverneur der Banque de France, François Villeroy de Galhau, Mitte: Christophe Braouet

Die Freundschaftsidee spielt jedoch auf mehreren Ebenen und in verschiedenen Altersstufen eine wichtige Rolle und sie wird in verschiedenen Formaten und an unterschiedlichen und thematisch passenden Orten von der Gesellschaft durchdekliniert. So war sicherlich für die wirtschaftlich Interessierten, die im Rhein-Main-Gebiet gehäuft versammelt sind, der Vortrag in der EZB von François Villeroy de Galhau, dem Gouverneur der Banque de France, ein spektakulärer Termin, nicht nur wegen der örtlichen Architektur, der Vortrag war auch aktueller denn je: „La France et l’Allemagne face aux défis de l’Europe en 2018“.  Ja, tatsächlich ging es um die brisanten Herausforderungen im Jahre 2018, die Deutschland und Frankreich im Blick auf Europa zu bestehen haben… Und die Zeit drängt. Staatspräsident Emmanuel Macrons Angebote zu einer europäischen Zusammenarbeit stehen zum Teil unbeantwortet im Raum, und er hat wichtige Posten im Land mit deutschaffinen Personen besetzt, um zu kooperieren.

Prof. Ulrike Guérot nahm in diesem Jahr den Alfred Grosser-Lehrstuhl wahr

Schon Madame de Staël, die legendäre Deutschlandkennerin, hatte Europa bereits im 19. Jahrhundert im Visier: „Man sollte in der heutigen Zeit den europäischen Geist inne haben”. Und dazu ist nun einmal die Verständigung ein ganz wesentlicher Baustein. Um die bessere Verständigung zu fördern, wurden auf Initiative der Deutsch-Französischen Gesellschaft Gastprofessuren an der Johann Wolfgang Goethe-Universität eingerichtet, mit Namen herausragender Persönlichkeiten, die repräsentativ für das Programm sind: Raymond Barre für Wirtschaftswissenschaften und Alfred Grosser für Bürgergesellschaftsforschung. Sie wurde von der Stiftung Polytechnischen Gesellschaft gestiftet. Da sprach vor kurzem der belgische Prof. Jean-Philippe Platteau aus Namur über das Thema „L’Islam, est-il un problème religieux ? Vers une réévaluation de la Turquie moderne“, ein Vortrag, der sich mit der Situation in der heutigen Türkei beschäftigte, während die streitbare Europäerin Prof. Ulrike Guérot über „Ein Kompass für Europa – Frankfurter Lieux de Mémoires und Europäische Horizonte“ referierte.

Christophe Braouet, der in Frankreich u.a. auch Science Politique studiert hat, anlässlich einer Europa-Diskussion; hier im Gespräch mit dem Deutschlandexperten und Friedenspreisträger Alfred Grosser, Namensgeber des Lehrstuhls 

Für die literarisch interessierten Mitglieder war vielleicht eher der letzte Goncourt-Preisträger Éric Vuillard spannend, der seinen jüngsten Roman „L’ordre du jour“ („Tagesordnung“ in der hervorragenden Übersetzung von Nicola Denis) vorstellte. Mit raffinierten Schnitten zerlegt der französische Filmemacher und Schriftsteller die bekannten Propagandabilder und setzt sie neu, bisweilen ironisch zusammen. So zeigt er etwa den Panzerstau an der deutschen Grenze zu Österreich, entlarvt Schuschniggs kleinliches Festhalten an der Macht, Hitlers abgründige Unberechenbarkeit und Chamberlains gleichgültige Schwäche. Vuillard seziert die Mechanismen des Aufstiegs der Nationalsozialisten und macht deutlich, dass die Deals, die an den runden Tischen der Welt geschlossen werden, „faul“ sind.

Da Frankreich auch ein Land der Cinephilen ist, erscheint es nur als folgerichtig, dass den Mitgliedern des DFG regelmäßig auch französische Filme in Originalfassung gezeigt werden und das als Preview vor dem Erscheinen der deutschen Fassung. Dies ist einer geschickten Kooperation mit dem Deutschen Filminstitut zu verdanken. Da konnte man schon im Januar einen Film wie „L’amant double“ („Der andere Liebhaber“) sehen, der auch in Cannes gezeigt wurde.

Didier Ottinger, stellvertretender Direktor des „Musée George Pompidou“ (Beaubourg)

Für Kunstliebhaber sind wiederum besondere Ausstellungen mit französischem Bezug von Interesse. So gab beispielsweise Didier Ottinger, der stellvertretender Direktor des „Musée George Pompidou“ (Beaubourg), Musée national d’art moderne, und Autor zahlreicher Bücher, einen kompetenten Einblick in die Schirn-Ausstellung „Magritte. Der Verrat der Bilder“. Er stand im Haus am Dom auch noch beim anschließenden Empfang zum Gespräch zur Verfügung, was für die Attraktivität der Veranstaltung natürlich ein Leckerbissen ist.

Im September wiederum wird die Pariser FAZ-Korrespondentin Michaela Wiegel nach Frankfurt kommen, um über ihre frisch geschriebene Macron-Biographie zu sprechen. Die Aktualisierung wird aufgrund der politisch prekären Lage inbegriffen sein.

FAZ-Korrepondentin und Autorin Michaela Wiegel

Dies sind nur einige Beispiele des so hochkarätigen wie vielfältigen Programms der DFG, das am Puls der Zeit angesiedelt ist, weswegen sich wohl die Mitgliederzahl in den letzten Jahren verdreifacht hat und das Durchschnittsalter um gut zehn Jahre gesenkt wurde. Auch wurde die Kommunikation der Mitglieder untereinander gefördert. Nach den Vorträgen hat man nämlich immer noch die Möglichkeit, bei einer Brezel und einem Glas Wein mit den Referenten ins Gespräch zu kommen. Da die über 600 große Mitgliederschaft zu zwei Dritteln aus Deutschen und zu einem Drittel aus Franzosen besteht, geht es wechselweise auf den Veranstaltungen deutsch und französisch zu. So können Frankophile und Germanophile außerdem ihre jeweiligen Sprachkenntnisse auffrischen.

Nun zum Jubiläum. Eine direkte Gründung der Gesellschaft vor 80 Jahren in Frankfurt gab es streng genommen nicht. Aber die traditionell bedeutsame Wirtschaftsmetropole am Main war damals schon einbezogen. Vielmehr wurde 1928/29 im Sog des Locarno-Vertrags und des darauf folgenden gemeinsamen Friedens-Nobelpreises von Briand und Stresemann die Frankfurter „Ortsgruppe“ der Deutsch-Französichen Gesellschaft in Berlin unter dem Vorsitz von Dr. Richard Oehlert, dem Leiter der Frankfurter Ziehenschule, grundgelegt, die sich bald als stabil herausstellen sollte. 1938 wurde die Ortsgruppe dann offiziell „festgezurrt“ und der guten Ordnung halber ins Vereinsregister eingetragen, cum grano salis. Denn bei dem auszuwählenden Vorstand wurde damals Wert auf NS-Parteitreue gelegt. Den Posten des Verantwortlichen sollte der Operngeneralintendant Meissner bis 1943 inne haben. Und der letzte Eintrag 1943 im Stadtarchiv der Stadt Frankfurt bezeugt das Interesse an den „in Zivilarbeiter umgewandelten Franzosen…“. Ein anderes Kapitel.

Nach Kriegsende gab es dann aber glücklicherweise eine Rückbesinnung auf die Anfangszeiten der Gründung. So wurde vor nunmehr über 50 Jahren die Deutsch-Französische Gesellschaft neu aufgestellt und reaktiviert und zwar ganz im Sinne von Jean Monnet. 1959 wurde der Frankfurter Oberbürgermeister Werner Bockelmann zu ihrem Vorsitzenden gewählt, der sie auch inhaltlich wiederbelebte. „Nie wieder Krieg“ lautete von nun an das Motto. Diese Errungenschaft der beiden Länder, die sich in den vergangenen Jahrhunderten immer wieder bekriegt haben, sollte nun ständig auch programmatisch erneuert werden, und zwar, indem hartnäckige Vorurteile systematisch durch die verschiedenen Programmangebote abgebaut werden. So sollte die Kommunikation zwischen den beiden Völkern erleichtert werden. Die Notwendigkeit scheint selbst heute umso dringlicher, da trotz vielfacher Aufklärung die Missverständnisse über die jeweiligen Nachbarn immer noch verbreitet sind.

Goncourt-Preisträger Éric Vuillard

Daher widmet sich abwechselnd in deutscher und französischer Sprache das Veranstaltungsprogramm besonders politischen und gesellschaftspolitischen Themen, die zum Verständnis des Nachbarn etwas taugen, und deren sachgerechte Kommentierung durch deutsche wie auch französische Journalisten und Kenner sowie durch deutsche und französische Botschafter gewährleistet ist. Ein weiterer Schwerpunkt kommentiert unter Mitwirkung deutscher und französischer Entscheidungsträger die Herausforderungen an die Industrie und Finanzwelt. Das dritte programmatische Standbein ist kulturell geprägt durch historische Vorträge, Konzerte, private Führungen anlässlich von Ausstellungen französischer Künstler und in Kooperation mit Frankfurter Museen, ausgewählte Previews Französischer Filme und Lesungen aktueller Goncourt-Preisträger wie zuletzt Éric Vuillard.

Dass die Deutsch-Französische Gesellschaft mit ihren inzwischen um die 650 aktiven Mitgliedern die größte in Deutschland ist, wen wundert’s? Der Verein ist gut aufgestellt und wird bestens von Susanne Laubach organisiert. Daher kann die Gesellschaft mit Fug und Recht am 16. Juni 2018 ganz ohne anspruchsvollen Vortrag einfach nur mal feiern, die Mitglieder können entspannt miteinander reden und sich austauschen und das in der Mitte der lebenswerten internationalen Stadt am Main, die nicht gerade für ihr art de vivre, ihre Lebensart, bekannt ist, diese aber umso mehr zu genießen weiß …

A votre santé! Und auf das Wohl weiterer 80 Jahre!

Alle Fotos: Petra Kammann